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Dem Onlinehandel sei dank können wir ganz einfach die Anprobe von Kleidungsstücken in unser Zuhause verlegen. Unternehmen sind hingegen mit finanziellen, logistischen und organisatorischen Herausforderungen konfrontiert, die mit den Rücksendungen der Pakete einhergehen. Künstliche Intelligenz soll Onlinehändler:innen Abhilfe schaffen und durch neue Modelle die Retourenquote senken.

Ein typisches Szenario: online bei der Lieblingsmarke ein Paket mit den neuesten Pieces bestellt. Ein bis zwei Tage später kommt der große Karton dann endlich an. Das Wohnzimmer wird zur privaten Umkleidekabine. Schnell ausgepackt, anprobiert und drei der fünf Teile passen. Zum Glück können die übrigen Artikel versandkostenfrei zurückgesendet werden.

Online zu bestellen ist beliebter denn je. Spätestens seitdem die Einzelhändler:innen aufgrund der Corona Pandemie ihre Geschäfte schließen mussten, haben nicht nur die Shopper:innen den Onlinehandel für sich (wieder)entdeckt. Viele Händler:innen haben die Notwendigkeit der Digitalisierung erkannt und sich mit einem Onlineshop ein zweites Standbein aufgebaut.

Der Onlinehandel und die Retouren

Der Onlinehandel wächst. Damit einhergehend steigt auch die Anzahl der Rücksendungen. Zum Teil bedingt durch Incentivierungen wie kostenloser Rückversand oder Mehrfachbestellungen von Produkten wird jede sechste Onlinebestellung zurückgesendet. Im Fashion Bereich ist es bis zu jede zweite Bestellung. Das verursacht Handling- und Transportkosten bei den Shopbetreiber:innen. Aufgrund dessen landen viel zu oft Teile auf der nächsten Mülldeponie oder werden verbrannt. Das ist für Unternehmen oft günstiger, als diese wieder zurück in den Kreislauf zu bringen.

Warum wird entsorgt?

Laut der Universität Bamberg landen rund vier Prozent der Rücksendungen auf dem Müll. Die genauen Daten zu erfassen ist nur schwer möglich, da Händler:innen nicht bekannt geben, was genau entsorgt wird. In einer Erhebung des EHI-Forschungsinstituts wird vorwiegend der schlechte Qualitätszustand der Artikel genannt, wodurch eine Aufbereitung nicht oder mit zu hohem Aufwand möglich ist.

Das hat auch die Bundesregierung erkannt. Mit einem neuen Gesetz soll der Vernichtung von Ware ein Riegel vorgeschoben werden. Onlinehändler:innen sind in Zukunft zu nachhaltigerem Handeln verpflichtet und sollen, soweit möglich, Ware erneut verkaufen oder wiederverwerten.

Hohe Retourenquoten: die Branche ist entscheidend

Durchschnittlich über alle Artikelkategorien des E-Commerce betrachtet, sind die Retourenquoten moderat. Bedeutender sind einzelne Branchen, die mit extremen Zahlen zu kämpfen haben. Deutschlandweit liegt laut nach Erkenntnissen des Bevh die Retourenquote bei 6 Prozent. Händler:innen mit höheren Retourenquoten zwischen 40 – 60 Prozent kommen aus dem Bereich Fashion und Accessoires.

Allerdings gehören Kleidungsstücke mit 82 Prozent auch zu dem Bereich mit den meisten Weiterverkäufen als A-Ware. Insgesamt lassen sich nach der Studie von der EHI 70 Prozent der Retouren als A-Ware vermarkten. Bei circa 50 Prozent der Händler:innen schafft es B-Ware wieder neu vertrieben zu werden. Am Ende der Kette gibt es noch Outlets oder den Aufkauf durch Reseller wie Rebuy.

Eine Lösung: künstliche Intelligenz im Onlinehandel

Datengetriebene Lösungen im Retourenmanagement könnten Retourenquoten erfolgreich reduzieren. Zusätzlich profitieren Onlinehändler:innen von aussagekräftigen Auswertungen, die eine langfristige und profitsteigernde Planung des Retourenhandlings ermöglicht.

Was ist künstliche Intelligenz (KI)?

Seit die Digitalisierung begonnen hat, gibt es kaum noch Unternehmen, die keine Digitalisierungsstrategie entwickeln oder bereits versuchen, umzusetzen. Neben Big Data, also das Sammeln und Auswerten von großen Datenmengen, gilt Künstliche Intelligenz (KI) , in englisch „Artificial Intelligence“ (AI), als eine wegweisende Technologie für die Zukunft. Einfach erklärt versucht KI das menschliche Lernen und Denken auf den Computer zu übertragen.

Ein Computerbildschirm auf dem ein Programm geschrieben wird.

Als Teilgebiet der Informatik soll mithilfe einer KI nicht für jede Aufgabe oder Problem etwas Neues programmiert werden müssen. Die KI kann anspruchsvolle Lösungen finden, die auf einem einfachen Algorithmus basieren. Grundlage dessen ist der Versuch, das intelligente Denkverhalten und Treffen von Schlussfolgerungen des Menschen zu imitieren.

Durch KI die Retourenquote senken

Bisher ist die oberste Priorität der Onlinehändler:innen, Retouren durch präventive Maßnahmen zu vermeiden. Die Ansätze reichen von klassischen Maßnahmen, wie detaillierte Produktinformationen oder das Einholen von Kundenbewertungen bis hin zu innovativen Ansätzen wie 3D Dressing Tools. Mehr zu präventiven Maßnahmen findest du in diesem Beitrag. Der Einsatz von Big Data oder Verfahren mit Künstlicher Intelligenz hingegen optimiert bisherige Maßnahmen und Prozesse zusätzlich.

Wie funktioniert es?

Mit Hilfe von mathematischen und statistischen Methoden können Vorhersagemodelle entwickelt werden, die eine noch detailliertere Strategie gegen hohe Retourenquoten zulässt. Zurückgegriffen wird auf vergangene Daten zum Bestellverhalten, der Kundentransaktionen, Kundenkontakt in Form von E-Mails oder Social Media. Mit dem geeigneten Algorithmus oder maschinellem Lernen können daraus aussagekräftige Modelle entwickelt werden, wie man Größenbeschreibungen oder Kommunikationswege anpassen sollte, um Retouren zu reduzieren.

Ein Beispiel:

Wir haben als Onlinehändler:innen von einer Fashion- und Sportbrands folgende Kundendaten abgefragt:

  • Alter: 23
  • Geschlecht: weiblich
  • Familienstand: ledig
  • Bildungsabschluss: Abitur
  • Beruf: Junior Marketing Managerin
  • Hobbies: Yoga, Turnen, Fitness

Aufgrund dieser Merkmale und aufgrund der Bestellhistorie lasst sich ein Profil der Kundin erstellen. Sie tätig häufig online Bestellungen, füllt ihren Warenkorb mit 4 – 8 Artikeln und schickt circa 30 Prozent zurück.

Keepoala bietet neben dem shopübergreifenden Loyalty Programm nicht nur die Möglichkeit, Retouren durch die Einbindung der Onlineshopper:innen zu reduzieren.

Die Community bekommt den Anreiz, zusätzlich detaillierte Auskünfte zu Retourengründen zu geben. Dadurch erhalten die teilnehmenden Shops transparente Einblicke in ihre Bestell- und Retourendaten.

Die Menge der Daten ist entscheidend

Für aussagekräftige und verlässliche Vorhersagemodelle müssen die Informationen zum Beispiel vom Kundenstamm vom Großteil aller Shopper:innen vorliegen und aktuell sein. Daraus können Data Scientists Kategorien bilden. Diese können strukturieren, wie häufig jemand zurücksendet (nie, selten, häufig oder fast immer) oder den Handlingaufwand im Lager festlegen.

In der Praxis hat sich in den letzten Jahren insbesondere bei den großen Playern der Modeindustrie einiges getan. Kleinere Shopbetreiber:innen können meist kein eigenes Developer-Team auf die Beine stellen. Dennoch lässt sich für das eigene Unternehmen der ein oder andere Aspekt übernehmen:

Zalando setzt auf Sizing Tools und KI

Der Online-Modehändler Zalando hat eine enorme Produktauswahl und aufgrund hoher Retourenquoten eine besondere Strategie entwickelt, um Rücksendungen zu reduzieren. Das Unternehmen verfügt über ein Sizing Team, das aus Data Scientists, Software-Ingenieuren und Business Developern zusammengesetzt ist. Durch Algorithmen werden Produktbeschreibungen, Körperteilansichten, 3D und 2D Scanner gefüttert und verbessert.

Nach eigenen Angaben kann Zalando so Kleidung in 97 Prozent der Fälle als passend oder nicht passend zuordnen. Danach werden die Tipps für Onlineshopper:innen zu Größenauswahl  und Passform angepasst, um so auf die Retourenquote einzuwirken.

Die KI-Bilderkennung der Universität Würzburg

Wenn Forschung auf die Praxis trifft: eine Kamera, ein Programm für Bilderkennung und Künstliche Intelligenz. Damit haben Studierende der Universität Würzburg ein intelligentes Verfahren entwickelt, welches Artikel beim Wareneingang identifizieren soll und den passenden Artikel in den Shopsystemen automatisch zuordnet.

Das Potential der neu entwickelten Technik ist groß. Der Artikel muss lediglich durch eine Freigabe bestätigt werden und entlastet die Mitarbeiter:innen. Ein Teil des Retourenprozesses kann erheblich vereinfacht werden.

Datenbericht mit aktuellen Zahlen auf einem Bildschirm.

Die Zukunft künstlicher Intelligenz im Retourenprozess

 

Durch den Einsatz von KI lassen sich vielseitige Modelle entwickeln, die dem Onlineshop neben den klassischen, präventiven Maßnahmen einen zusätzlichen Mehrwert bieten. Die gewonnenen Erkenntnisse lassen sich dafür nutzen, bereits bestehende Maßnahmen wie Shopverbesserungen, Auswertung von Bewertungen gezielter zu verbessern. Zusammenfassend eröffnen sich durch die bedarfsgerechten Einsatzmöglichkeiten der Künstlichen Intelligenz, dass der Retourenprozess besser gesteuert werden kann. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, die Kommunikationsprozesse mit den Onlineshopper:innen zu individualisieren und die gewonnenen Daten aus dem Prozess für weitere Vorhersagen zu nutzen.

Die Praxisbeispiele verdeutlichen, dass es KI durch Automatisierung und Individualisierung ermöglicht, den Fokus im Retourenprozess zu verlagern. Die Unternehmen haben die Möglichkeit, aktiv gegen eine Verringerung des Wertes retournierter Ware anzugehen. Zum einen kann Ware in Originalverpackung zukünftig sofort in den Wiederverkauf eingeschleust werden.  Zum anderen wird die Prüfung der Produkte durch Lösungsansätze, wie dem der Universität Würzburg, vereinfacht und beschleunigt die Wiederaufbereitung der Waren für den Verkauf als B-Ware.